Frühchen-im-Tragetuch

Können auch Frühchen im Tragetuch getragen werden?

Zierliche Kinder und vor allem Frühchen im Tragetuch zu tragen, wird von vielen Eltern noch wenig durchgeführt. Unsicherheiten, ob man schon darf, kann und wie, spielen hierbei eine große Rolle.

Julia Pötsch, der Gründerin von cocoome und mir als Kinderphysiotherapeutin und Trageberaterin ist es wichtig darüber aufzuklären, wie ein Frühchen im Tragetuch getragen werden soll. Zudem möchten wir Eltern sowie Angehörigen Sicherheit  geben und Mut machen, besonders diese kleinen zierlichen Babys tragen zu können.

 

Inhaltsverzeichnis:

 

Ab wann spricht man vom Frühgeborenen?

Von einem Neugeborenen spricht man, wenn das Baby in den letzten 4 Wochen der Schwangerschaft geboren wurde. Der Zeitraum umfasst die Schwangerschaftswochen 37 bis 41.

Kommt ein Kind vor der 37. Schwangerschaftswoche (37+0) zur Welt, spricht man von einer Frühgeburt. Als besonders relevante Gruppen sind hier zu erwähnen:

• Frühgeborene unter der 32. SSW
• Säuglinge mit extremer Unreife unter der vollendeten 28. SSW
• Nach Gewicht Frühgeborene unter 1500g (very low birthweight)
• Babys mit extrem niedrigem Geburtsgewicht unter 1000g

Zu früh auf der Welt – zu grell, zu laut und überhaupt und so…

Kommt ein Baby zu früh zur Welt wird sein Reifungsprozess im Mutterleib unterbrochen. Dadurch ergeben sich häufig Anpassungsstörungen, muskuläre Schwächen, Lungenunreife bis hin zu einem unreifen Nervensystem.

Viele Frühchen kommen nach der Geburt direkt in einen Inkubator, der quasi einen künstlichen Mutterleib nachahmt. Später wenn die Parameter alle passen, wird es auf ein Wärmebett umgelagert.

Meist sind sie dann auch noch an Geräte angeschlossen, die die Herzfrequenz, Puls und Sauerstoffsättigung kontrollieren.

Das Frühchen wird in eine für ihn viel zu helle, laute und reizintensive Umgebung geboren. Diese können bei ihm zu einer Reizempfindsamkeit, sowie zu einer gesteigerten Auslösbarkeit von Muskeleigenreflexen und Fremdreflexen führen. Ebenso sind auch die Schwerkraft und die Grenzenlosigkeit ein Novum. In der Gebärmutter konnte es sich durch die wachsende Enge gut orientieren wo oben, unten und die seitlichen Grenzen liegen. Ohne Begrenzung kann sich sowohl ein Neugeborenes als auch ein Frühgeborenes nicht orientieren. Da der Tastsinn wesentlich besser als der Sehsinn zum Zeitpunkt der Geburt entwickelt ist, nehmen Babys ihre Umgebung zu Beginn vor allem über die Haut wahr. Sobald sie sich mittels einer Begrenzung im Raum orientieren können, passt sich auch die Körperspannung (Tonus) dementsprechend an.

Sobald ein Frühgeborenes stabil genug ist, keine technischen Hilfen mehr zum Atmen benötigt, adäquat trinkt und zu nimmt, ein bestimmtes Gewicht erreicht hat, seine Temperatur halten kann, die Laborwerte passen und auch von ärztlicher Seite nichts mehr dagegen spricht kann es nach Hause entlassen werden.

Frühchen im Tragetuch
Frühchen im Tragetuch

Physiotherapie unterstützt das Ankommen in der neuen Welt

Die Anpassung der Körperspannung und Finden einer stabilen Lage sowohl am Rücken, als auch am Bauch oder auf der Seite ist schon für Neugeborene eine echte Herausforderung.

Für Frühgeborene, deren Körpersysteme (Atmung, Motorik, Sensorik, Nervensystem) noch nicht ausgereift sind, ist das eine noch eine viel größere Challenge. Durch ein zu frühes in Kontakt treten mit der Schwerkraft können Frühchen aufgrund ihrer Muskelunreife kompensatorische Haltungen und Bewegungen entwickeln. Dies kann zu Asymmetrien im Rumpf oder der Kopfform sowie zu Überstrecktendenzen führen.

Aus physiotherapeutischer Sicht ist deshalb das oberste Ziel dem Frühgeborenen möglichst viele Erleichterungen zu schaffen, damit es sich besser an das Leben mit der Schwerkraft gewöhnen kann und man somit bessere Chancen hat für eine optimale Entwicklung auf der sensomotorischen (Wahrnehmung und Bewegung), sowie psychoemotionalen Ebene (kognitive und Gefühlsebene).

Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Mittels Lagerungen, Begrenzungen ermöglicht man dem Kind eine motorische Ruhe zu finden und somit seinen Körper kennen zu lernen. Ebenso werden durch verschiedene Lagerungen auch in Seitenlage und Bauchlage Haltungsasymmetrien und Kopfverformungen vermieden.
Osteopathische und craniosakrale Techniken werden zur Entspannung eingesetzt.

Um die Atemfunktionen zu verbessern und die Eigenatmung zu aktivieren werden Techniken aus der Atemtherapie angewendet.
Bei größeren Frühgeborenen spielt auch die sensomotorische Förderung eine große Rolle, das heißt, sich und seine Umwelt besser wahrnehmen zu können.
Um sich selbst besser im Raum am Rücken, auf der Seite oder am Bauch stabil halten zu können braucht das Frühgeborene eine entsprechende Haltungskontrolle. Dies wird über verschiedene Unterlagen sowohl mit weicheren als auch mit härteren Untergründen mit dem Kind geübt. Je nach Festigkeit der Unterlage muss das Kind seinen Rumpf stabilisieren um sich in der Rückenlage oder auf dem Bauch halten zu können.

Auch die Toleranz für ein Bewegt werden sowie für Gleichgewichtsverlagerungen werden in der Physiotherapie angebahnt.

Mit Hautkontakt wie Berühren, sanfter Druck und Massage wird dem Frühgeborenen eine Hilfe gegeben seinen eigenen Körper spüren und sich in seiner Umgebung orientieren zu können.

Auch Frühgeborene sind Traglinge von Beginn an

Ein Frühchen im Tragetuch zu tragen bietet ihm Schutz, Wärme und Geborgenheit. Anthropologisch gesehen gehören menschliche Jungen zu den Traglingen. Dafür gibt es einige Hinweise. Schaut man sich ein Neugeborenes anatomisch genauer an ist in Rückenlage und auch in Bauchlage eine angebeugte Haltung der Beine mit einer leichten Abspreizung zu erkennen. Diese Haltung wird Anhock-Spreizhaltung genannt. Diese Anhock-Spreiz-Haltung ist eine geeignete Ausgangsstellung um sich als Menschenkind am Körper der Mutter festzuhalten. Der Abspreizwinkel eines Neugeborenen beträgt 45° und steht immer in Verbindung mit einer Hüftbeugung von 100°. Diese Hüftstellung zeigt das Kind auch, wenn es am Bauch liegt. Bei Frühchen verhält sich das Bewegungsausmaß ähnlich.

Beim Aufheben und Hochnehmen wird die Anhock-Spreizhaltung von Säuglingen automatisch (reaktiv) eingenommen in Erwartung sich gleich an der Mutter oder am Vater festhalten zu können.

Nicht nur das Becken, die Hüften und Beine, auch die Wirbelsäule ist in ihrer Ausprägung und Funktion auf das Getragenwerden angepasst. Im Gegensatz zu einer ausgewachsenen Wirbelsäule, die eine S-Form aufweist, ist die Säuglingswirbelsäule noch gerade und der Rumpf wirkt insgesamt gebeugt in einer C-Haltung. Diese entwickelt sich mit Zunahme motorischer Aktivitäten.

Beginnt das Baby mit ca. 8 Wochen seinen Kopf aktiv zu halten, streckt sich die Halswirbelsäule. Mit Beginn des Robben- und Krabbelstadiums wird die Halswirbelsäule immer mehr lordosiert (gestreckt). Die Lendenwirbelsäule im unteren Bereich wird mit Aufrichtung zum Stehen und gehen vermehrt in Streckung gebracht. Auch frühgeborene Säuglinge können diese Haltung von Beginn an einnehmen.

Das Tragen im Tragetuch für Frühgeborene hat viele Vorteile

Babys sind von Geburt an Traglinge und somit Frühgeborene erst recht. Ein Frühchen im Tragetuch zu tragen hat demnach viele Vorteile. Das Bedürfnis nach Nähe und Hautkontakt vermittelt dem Baby ein Gefühl von Geborgenheit und Schutz. Somit kommt es zur Ruhe und kann sich entspannen. Dieser Schutz und diese Geborgenheit, die es benötigt, um zur Ruhe zu kommen, wird dem Frühchen im Tragetuch gegeben. Durch die Begrenzung im Tragetuch wird dem Frühgeborenen Orientierung und Geborgenheit gegeben. Oft regulieren sich dadurch die Atem- und Herzparameter sobald das Kind Hautkontakt spürt.

Über den stetigen Hautkontakt vom Tragling und der Mutter wird das Bindungshormon Oxytocin gebildet. Es wird auch das „Liebes- bzw.Bindungshormon“ genannt und unterstützt die Bindung(Bonding) zwischen Eltern und Kind. Gleichzeitig wirkt es stressreduzierend und schmerzlindernd und sorgt somit für Wohlbefinden, Entspannung und erholsamen Schlaf. Oxytocin hat auch einen positiven Einfluss auf die Nährstoffspeicherung und das Zellwachstum. Dadurch wird die Entwicklung des Wachstums und Heilungsabläufe gefördert.

Durch die Zug- und Druckverteilung im Tragetuch wird auch die Körperspannung des Babys positiv beeinflusst. Es werden über den Träger Bewegungserfahrungen und Gleichgewichtserfahrungen angebahnt. Kopfverformungen, die in Rückenlage entstehen können, werden dadurch vermieden. Gleichzeitig wird durch die angehockte Haltung im Tuch die Hüftreife gefördert. Auf der Wahrnehmungsebene beginnt das Baby sich selbst besser zu spüren und kann auf diese Weise seine Selbstregulationsfähigkeit besser entwickeln.

Frühchen im Tragetuch – der Gesamtzustand spielt eine wichtige Rolle

Bei Frühchen spielt beim Babytragen der Gesamtzustand eine wichtige Rolle. Erst wenn alle Vitalzeichen stabil genug sind und von ärztlicher Seite nichts dagegen spricht, können Babys mit und ohne Monitor getragen werden.

Frühchen mit einem Körpergewicht unter 1800g sollten nicht in die Anhock-Spreizhaltung gebracht werden, da der Abspreizwinkel im Tragetuch zu groß sein kann. Leichtere Babys werden in einer sogenannten Buddha-Haltung im Tragetuch getragen. Im Vorhinein sollte immer geschaut werden in wieweit eine Abspreizung in der Hüfte schon möglich ist oder nicht.

Auch auf neonatologischen Stationen werden die Säuglinge sowohl im gewebten als auch im elastischen Tragetuch getragen. Die Eltern werden von ausgebildeten Fachkräften beraten und angelernt.

Frühchen im Tragetuch – was sollte beachtet werden?

Wenn ein Frühchen im Tragetuch getragen wird, sollte aus physiotherapeutischer Sicht das Tragetuch so fest sein, dass es dem Frühgeborenen genug Stabilität und Halt bietet und es nicht in dem Tragetuch einsinkt. Durch eine optimale Bindetechnik ersetzt das Tragetuch das fehlende Muskelkorsett des Babys. Bei der Bindeweise mit dem elastischen Tuch (es sollte möglichst ein festes sein wie z. B. der cocoome Sling), kann das Kind in seiner natürlichen Anhockung, die es auch in der Bauchlage zeigt hineingebracht werden. Das Tragetuch passt sich dann ergonomisch an den Rumpf und Hüfte des Babys an. Mit der dritten Lage, die zusätzlich Stabilität bietet, kann man auch, wenn es das Baby benötigt über die Fußsohlen noch Begrenzung geben.

Gerade bei Babys, die zu Strecktendenzen neigen ist das elastische Tragetuch eine bessere Wahl. Es schmiegt sich wie eine zweite Haut an. Auch bei übererregbaren Säuglingen oder Babys die übersensibel sind (besonders im Nackenbereich) können durch die Druckverteilung auf den gesamten Körper das Tragen im Tragetuch entspannter aushalten.

Trageberatung ist hier das A und O

Damit das Tragen von Frühgeborenen auch von Beginn an gut und sicher funktioniert und das Frühchen im Tragetuch sich auch wohl fühlt, empfehle ich unbedingt eine zertifizierte Trageberaterin mit Zusatzausbildung „Tragen von Frühgeborenen“ aufzusuchen.
Bei Trageschulen wie z. B. die TrageberaterAkademie, Die Trageschule® Österreich und Schweiz, Trageschule Hamburg, Trageschule Wien, Trageschule Schweiz, Trageschule ClauWi sowie der Trageschule FTZ Babytragen findet man Informationen über Trageberaterinnen in der eigenen Region.

Bindenaleitung

Frühchen-im-Tragetuch
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Verfasser:

Anne Kohl
Kinderphysiotherapeutin und Trageberaterin in freier Praxis im Bezirk Deutschlandsberg

Hier geht’s zu einem weiteren wissenswerten Artikel rund um das Tragen und das Baby:

https://www.cocoome.com/5-gute-gruende-sein-baby-zu-tragen/

Quellen:
Eva Vogelgesang: IBCLC Stillberaterin, Trageberaterin, Pflegedienstleiterin der Kinderintensivstation Saarbrücken. Sie hält regelmäßig Vorträge und Workshops zum Tragen von Frühgeborenen im DACH-Raum->www.stillraum.com
Heike Gratzei: freiberufliche Kinderphysiotherapeutin und tätig auf der neonatologischen Intensivstation des LKH Hochsteiermark, Standort Leoben
Michaela Schelldorf: Leiterin der Trageberaterakademie, Deutschland
Herzlichen Dank an die drei Fachpersonen, die mich mit Ihrem Wissen unterstützt haben.

Literatur:
Evelin Kirklionis: Ein Baby will getragen sein-Köselverlag
Sabine Hartz; Ulrike Höwer, Birgit Kienzle-Müller: Babys im Gleichgewicht-Urban&Fischer
Antje Hüter-Becker; Mechthild Dölken: Physiotherapie in der Pädiatrie
Ute Hammerschmidt; Janine Koch: Leitfaden Physiotherapie in der Pädiatrie[/vc_column_text][/vc_column_inner][/vc_row_inner]

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